31. August 1999

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Drei Mönche sterben nach Folterung im Gefängnis

Drei Mönche aus dem Kloster Nalanda in der TAR starben kurz nach ihrer Entlassung aus der Haft, wie zuverlässige, nun im Exil lebende Quellen berichten. Der 21-jährige Legshe Tsoglam, der inhaftiert wurde, weil er dem patriotischen Umerziehungskurs nicht nachkam, starb am 12. April, nur wenige Tage, nachdem er aus dem Gutsa Haftzentrum in Lhasa weggeschickt wurde, wo er anfangs desselben Monats festgehalten wurde. Der 22-jährige Mönch Norbu aus Nalanda starb im Frühjahr dieses Jahres, nachdem er während der Gefangenhaltung in Gutsa von Februar 1995 bis Februar 1996 schwere Verletzungen erlitten hatte. Norbu war einer der 34 Mönche, die nach der Dissens-Bekundung in Kloster Nalanda 1995 verhaftet wurden. Ein dritter tibetischer Mönch, Ngawang Jinpa aus Kloster Ganden bei Lhasa, starb am 20. Mai, zwei Monate nach seiner Entlassung aus Drapchi, wo er eine vierjährige Haftstrafe abgebüßt hatte.

Teil 1

Tod der Nalanda Mönche

Der 22-jährige Norbu aus dem Dorf Lengthang in Kreis Lhundrup, Großraum Lhasa, starb nur 3 Tage nach seiner Entlassung aus Gutsa, einem Haftzentrum des PSB auf Präfekturebene. Er wurde am 25. Febr. 1995 im Zusammenhang mit einem Polizeisturm auf das Kloster Nalanda, einem bedeutenden Sakya Kloster in Kreis Lhundrup, TAR, verhaftet. Zuverlässigen Quellen zufolge erlitt Norbu durch die schweren Mißhandlungen während seiner jahrelangen Festhaltung einen Nierenschaden. Die Brutalität, die ihm angetan wurde, scheint mit der einige Tage zuvor stattgefundenen Verhaftung des Mönches Sonam Dondrup (Ordinationsname: Lobsang Phuntsog), den Norbu als seinen Lehrer betrachtete, im Zusammenhang zu stehen. Es heißt, daß Norbu besonders grausam gequält wurde, weil er sich weigerte, Sonam Dondrup zu denunzieren, der am 22. Febr. wegen Verdachtes von Unabhängigkeits-Aktivitäten verhaftet worden war. Sonam Dondrup wurde später zu 12 Jahren Gefängnis verurteilt.

In der Inhaftierung, anfänglich in dem Kreisgefängnis von Phenpo und später in Gutsa, erfuhr Norbu keine medizinische Behandlung und wurde wie alle gezwungen, Gefangenenarbeit zu verrichten. Die Quelle sagt, daß sich Norbu niemals von den im Gefängnis erlittenen Gesundheitsschäden erholte. Als die Behörden ihn nach Hause sandten, war er zu keiner Arbeit mehr fähig und "kein vollständiges menschliches Wesen" mehr. Man untersagte ihm, wieder in sein Kloster zu gehen, und er starb schließlich im ersten tibetischen Monat dieses Jahres.

Der 21-jährige Legshe Tsoglam wurde Anfang April in Gutsa festgehalten, weil er sich dem patriotischen Umerziehungsfeldzug in Nalanda, das etwa 25 km nördlich von Lhasa liegt, nicht beugen wollte. Legshe Tsoglam wurde schwer geschlagen, als er in die Haftanstalt kam, wonach er "ganz krank und schwach" wurde. Er starb am 12. April, wenige Tage, nachdem das Gutsa Gefängnis sich seiner entledigt hatte.

Teil 2

Mißhandlung der Mönche von Nalanda wegen ihrer abweichenden Meinung

Der Tod von Legshe Tsoglam weist auf die wegen der patriotischen Umerziehung gespannte Lage in dem Kloster, das im Februar 1995 von der Polizei überfallen wurde, hin. 34 Mönche, von denen derzeit mindestens acht Haftstrafen von 4 bis zu 12 Jahren ableisten, wurden dabei verhaftet und 64 andere Mönche hinausgeworfen. Diesen wurde verboten, sich einem anderen Kloster anzuschließen oder weiterhin ein "religiöses Leben zu führen".

Die Welle der Verhaftungen 1995 begann, als ein Mönch namens Nyima Kelsang in Lhundrup festgehalten wurde, weil er ein Abzeichen mit der tibetischen Flagge trug. Drei Mönche von Nalanda, darunter auch der Lehrer Norbus, Sonam Dondrup, wollten in dem Haftzentrum Decken für Nyima Kelsang abgeben. Sonam Dondrup wurde sogleich unter dem Verdacht, seit 1992 Unabhängigkeitsposter aufgehängt zu haben, verhaftet. Nach schwerer Mißhandlung hat er sich angeblich zu der Tat bekannt und den Beamten des PSB erklärt, daß die Holzdruckstöcke für den Druck der Plakate im Kloster versteckt seien. Sein hartes Urteil scheint eine Folge seiner Entschlossenheit, die Verantwortung für die Plakate auf sich zu nehmen, in der Annahme, daß damit das Urteil der anderen Mönche geringer ausfallen würde, gewesen zu sein. Norbu wurde 3 Tage nach seinem Lehrer verhaftet.

Am Tag nach der Festhaltung der zwei Mönche kamen 17 PSB Beamte in drei Jeeps in das Kloster, um die Zimmer von Sonam Dondrup und der anderen Mönche zu durchsuchen. Viele widersetzten sich dabei und wollten den Beamten keinen Zugang gewähren. Es heißt, daß die PSB Beamten ein Unabhängigkeitsplakat fanden, aber keine Festnahmen tätigten. Als sie gingen, warfen die Mönche Steine auf ihre Fahrzeuge, worauf jene einige Schüsse abgaben und Tränengas warfen.

Zwei Tage später, am 25. Febr. 1995, kam das PSB Personal erneut, verstärkt mit PAP Soldaten und Kadern der Kreisverwaltung. Sie verhafteten nun mehrere Mönche wegen Steinwerfens und auf Verdacht, Unabhängigkeitposters angefertigt zu haben. Zehn der 34 verhafteten Mönche wurden gerichtlich zu 3 bis 12 Jahren Gefangenschaft in Drapchi verurteilt. Zehn weitere Mönche, die sich zu dem Steinewerfen bekannten, wurden zu Haftstrafen von 1 bis 2 ½ Jahren im Outridu Gefängnis verurteilt, vier wurden von 3 Monaten bis zu einem Jahr in Adminsitrativhaft in Trisam gesetzt, und sechs wurden in Gutsa für ein bis 5 Monate eingesperrt.

Norbu ist nicht der einzige Mönch von Nalanda, der in der Gefangenschaft schwere Schäden durch Folterung erlitt. Ein Mönch, der in der Gruppe war, die nach Outridu gebracht wurde, sagte, daß die Soldaten sie auf dem Weg brutal schlugen: "Etwa 30 Soldaten bewachten uns zwölf Mönche, unsere Hände wurden hinter dem Rücken gefesselt, einem Mönch wurden sie so fest geschnürt, daß der Strick mit einem Messer aufgeschnitten werden mußte." Andere Mönche von Nalanda wurden auf der Fahrt in das Haftzentrum mit Gewehrkolben geschlagen und ausgepeitscht.

Auch ein anderer, nun im Exil befindlicher Mönch aus Nalanda berichtete von schweren Mißhandlungen während der ersten Nacht in dem Lhundrup PSB Haftzentrum: "Die Hände wurden uns auf eine Planke gebunden, und ein an der Planke angebrachtes Seil an einem Balken in der Decke befestigt. Auf diese Weise wurden wir der Reihe nach aufgehängt, und immer wenn sie das Seil losließen, fielen wir auf den harten Boden. Der Schmerz war so unerträglich, daß wir meinten, wir würden sterben".

Der Polizeiangriff auf das Kloster 1995 erfolgte auf die schon lange bestehenden behördlichen Bedenken wegen "Spalteraktivitäten" in Nalanda. In einem Artikel in der "Lhasa Abendpost" vom 25. März 1995 stand, daß im August 1992 Mönche "reaktionäre" Poster in der Gegend aufgehängt und "reaktionäre Parolen" an das Tor des Kreisamtes von Lhundrup geklebt hätten. "Das Kloster Nalanda ist zu einer Basis des Spalternetzes geworden", heißt es in dem "Umorganisierung in Kloster Nalanda" betitelten Artikel. Darin heißt es weiter, daß nach der Aufdeckung der reaktionären Dokumente in dem Kloster 1995 und dem Steinewerfen auf die Polizisten die Behörden einen Arbeitsausschuß zur "Umorganisierung" von Nalanda einrichteten. Örtliche Kader der Stadtverwaltung von Lhasa waren bei einem Treffen in dem Kloster im März 1995, um die Angelegenheiten des Klosters neu zu ordnen.

Teil 3

Der Tod von Ngawang Jinpa

Ein Mönch aus Ganden, Ngawang Jinpa, Anfang zwanzig, starb am 20. Mai dieses Jahres, nachdem er am 16. März nach Absolvierung seines 4-jährigen Urteils aus Drapchi entlassen wurde. Seitdem war sein Gesundheitszustand sehr schlecht. Am Tag nach seiner Entlassung kamen die Staatsdiener in sein Haus, um ihn medizinisch zu untersuchen, wobei sie ihm etwas spinale Flüssigkeit abnahmen, was normalerweise ein Infektionstest wäre. Ob sich Ngawang Jinpa des Grundes dafür bewußt war, ist nicht bekannt. Spinale Flüssigkeit kann extrahiert werden, um Tumoren, Meningitis oder eine Infektion des Gehirns und des Rückenmarks zu diagnostizieren. Diese Entnahme kann auch auf erhöhten intrakranialen Druck hinweisen, etwa durch schwere Schläge auf den Kopf verursacht. Die Abnahme von spinaler Flüssigkeit kann entsetzliche Kopfschmerzen, Erbrechen, Gedächtnisverlust, Schlaflosigkeit und andere Symptome auslösen. Genaue Einzelheiten über den Zustand des aus Lhungshoe, Nangso Nubma in Phenpo, Kreis Lhundrup, stammenden Ngawang Jinpa sind nicht bekannt. Es heißt, daß er anfänglich nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis hospitalisiert war, aber später zu Hause starb.

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